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Erste Erfahrungen

Aktualisiert: 21. Jan. 2021

Fallbeispiel MEM-Branche:

Eine Maschinenbaufirma sieht sich mit einem Liquiditätsengpass infolge der Corona-Pandemie konfrontiert. Sie hat den COVID-19 Kredit gezogen.

Nun sollte die Gesellschaft unbedingt in neue Maschinen investieren, um künftige Projekte abwickeln zu können. Es bestehen Schulden gegenüber der Bank (für das operative Geschäft) sowie gegenüber der Muttergesellschaft. Diese wiederum muss ihren Finanzierungsverpflichtungen gegenüber der Bank nachkommen. Der Verschuldungsgrad der Tochtergesellschaft beträgt ca. 85%.


Sich stellende Fragen:

Sicherung der Investitionen: Oberste Priorität, da sie die Umsätze des Unternehmens garantieren. Aufgrund der Neufassung des COVID Gesetzes sind nun auch Neuinvestitionen wieder erlaubt.

Gesamtverschuldung: Der Verschuldungsgrad des Unternehmens ist durch das Ziehen des COVID-Kredits zu hoch geworden. Auch bei tiefen Zinsen oder gar zinsfreien Darlehen bleibt am Ende des Tages die Amortisationspflicht.

Umfinanzierung: Mit einer Umfinanzierungen kann die Zins- und Amortisationslast gesenkt werden. Sollte damit ein Bankwechsel verbunden sein, muss der COVID-Kredit vorgängig amortisiert werden. COVID-Kredite können nicht von einer Bank zur anderen "Mitgenommen" werden. Die Verschuldungsquote wird durch eine Umfinanzierung nicht verbessert.

Verpflichtungen gegenüber Muttergesellschaft: Vorbestehende Verpflichtungen zwischen Gruppengesellschaften können weiterhin bedient werden, sofern sie zur Erfüllung von Amortisations- und Zinspflichten benützt werden. Hier wurde mit der Bank eine Stundung um ein Jahr vereinbart. Die dadurch frei gewordenen Mittel wurden in die neuen Maschinen investiert.

Dividenden an Investor: Verboten und somit kein Thema. Im vorliegenden Fall konnte der Investor sogar dazu motiviert werden, sein Engagement aufzustocken. Damit hat er der Gesellschaft die nötige Luft für eine erfolgreiche Weiterführung ihrer Wachstumsstrategie verschafft. Bei einem normalen, konservativ gerechneten Geschäftsgang wird er sein Investment damit früher zurückerhalten und die Gesellschaft wird stärker aus der Krise kommen.


Fallbeispiel Gastro-Betrieb:

Ein Restaurationsbetrieb (Aktiengesell-schaft) in städtischem Gebiet steht in der Schuldenfalle. Aufgrund der COVID-19 bedingten Massnahmen seit März 2020 befindet sich der Betrieb in einer existenzbedrohenden Situation. Der Gasthof ist traditionell ausgerichtet, mit Feinschmecker-Angeboten am Abend. Geführt wird der Betrieb seit mehreren Jahren von einem erfahrenen Wirt und Koch. Der Umsatz betrug bis 2019 jährlich rund CHF 2 Mio. Je nach Bedarf werden 10 bis 15 Mitarbeiter/innen beschäftigt. Im Jahr 2018 wurden Investitionen in das Inventar und dich Küche vorgenommen, finanziert mit einem Bankkredit von heute restanzlich CHF 200'000.


Sich stellende Fragen:

Sicherstellung Überlebensfähigkeit: Kurzarbeitsentschädigung ist angemeldet und Gelder werden bezogen. Ein COVID-19 Kredit im Umfang von CHF 200'000 ist gezogen (Liquiditätsabfluss, Investitionen Schutzkonzepte etc.). Mietzinsen wurden keine erlassen, sondern im Umfang von bisher CHF 70'000 gestundet. Der Inhaber bezog für die Lockdown-Monate kein Salär.

Verschuldungssituation: Durch den COVID-19 Kredit, die Mietzinsausstände und weitere Darlehen ist die Gesamtverschuldung auf aktuell über CHF 0.5 Mio. angestiegen, dies bei einem durchschnittlichen vor-Corona-EBITDA von rund 40 bis 50'000 p.a. (Faktor > 10).


Weitere kurzfristige Massnahmen: Um die Zahlungsunfähigkeit abwenden zu können, sind dringend weitere Massnahmen notwendig. Aufnahme weiterer Schulden ist nicht empfohlen. Einzig sinnvolles Mittel derzeit sind à-fonds-perdu-Beiträge. Dieses Instrument wird konkret geprüft, sobald der Kanton Bern das vereinfachte Verfahren reaktiviert hat.

Sanierung unumgänglich: Das Unternehmen ist unabhängig weiterer Überbrückungsmassnahmen ein Sanierungsfall. Die bisher aufgelaufenen Verpflichtungen werden auch mit Erreichen des vor-Corona-EBITDAs nicht oder nur über einen Zeitraum > 10 Jahren bedient werden können. Mit den Gläubigern müssen Schuldenschnitte ausgehandelt werden. Dabei sind allfällige Sicherstellungen und eine faire Opfersymmetrie zu berücksichtigen. Zwecks Incentivierung der Gläubiger sind u. U. Instrumente wie der Besserungsschein zu evaluieren.


Fallbeispiel Messebau:

Ein schweizer Messebau-Anbieter mit ausländischer Tochtergesellschaft unterliegt seit März 2020 einem faktischen Arbeitsverbot. Durch die COVID-19-Pandemie und der Absage aller Messeveranstaltungen in Europa sind Umsätze und Erträge seither regelrecht eingebrochen. Zur kurz-fristigen Sicherung der Liquidität wurde ein COVID-19 Kredit beansprucht. Der Mitarbeiterbestand von rund 50 Personen wurde in einer ersten Phase auf 35 reduziert. Derzeit sind noch 15 Mitarbeitende auf der Payroll, alle befinden sich in Kurzarbeit. Die strategischen Ziele, Strukturen und Prozesse wurden der Situation entsprechend rasch angepasst und alternative Geschäftsfelder wurden geprüft.


Handlungsmassnahmen und sich stellende Fragen:

Sicherstellung Überlebensfähigkeit: Kurzarbeitsentschädigung und COVID-19 Kredit sicherten nur im 1. Lockdown die Löhne und einen Teil der laufenden Kosten. Rascher Abbau der Mitarbeitenden war aus Kostengründen zwingend. Kernteam wurde definiert, welches nach der Pandemie die Wiederaufnahme der Geschäftstätigkeiten forcieren wird. Mietzinsen werden bis auf weiteres durch die Inhaberfamilie gestundet. Der Geschäftsinhaber bezieht während der Lockdown-Monate kein Salär, von der Geschäftsleitung wurde ein Lohnverzicht eingefordert.

Verschuldungssituation / Illiquidität: Zur Verhinderung einer drohenden Überschuldungssituation nach Art. 725 OR wurde ein Rangrücktritt auf dem Aktionärsdarlehen erklärt. Zur Sicherung des (Rumpf)Betriebes und der Gewährung der nötigen Liquidität wird die Unternehmung aus dem kantonalen Härtefonds CHF 1.5 Mio. erhalten, davon CHF 0.5 Mio. als à-fonds-perdu-Beitrag.


Weitere Massnahmen: Sicherstellung der Finanzierung der ausländischen Tochtergesellschaft unter Berücksichtigung der COVID-Bestimmungen


Sanierung möglich: Das Unternehmen hat in den letzten Jahren umfangreiche Mittel in Produktentwicklung und Neukundengewinnung gesteckt. Die strategische Positionierung wird zur Folge haben, dass nach Abflauen der Pandemie rasch der Betrieb wieder hochgefahren werden kann. Die Messeveranstalter haben einen Planungsvorlauf von 6 bis 8 Monaten für die Terminierung der Messen. Bis dahin müssen die Kosten tief und der Betrieb auf «kleiner Flamme» gehalten werden. Zum Kernteam ist Sorge zu tragen. Mit den grössten Gläubigern müssen zudem Schuldenschnitte und Zahlungsfristen ausgehandelt werden, damit der Restart ermöglicht wird.


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